04. März 2022 - F.A.Z.

Am Markt vorbei, aber gewaltig

von Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter, bulwiengesa, und John Amram, Gründer und Geschäftsführer, HPBA Off-Market-Solutions

Vor wenigen Wochen meldeten die Maklerhäuser ein offizielles Rekordtransaktionsvolumen in Deutschland von mehr als 110 Milliarden Euro für 2021. Doch wie jedes Jahr muss angenommen werden, dass mit dieser Zahl bei Weitem nicht der komplette Markt abgebildet wird. Schließlich wird ein bedeutender Teil der Asset- und Share-Deals, die off-market abgewickelt werden, niemals veröffentlicht.

Dass zahlreiche Transaktionen nach wie vor von der Fachöffentlichkeit unbemerkt bleiben, legt auch die vierte HPBA-Off-Market-Studie in Kooperation mit bulwiengesa nahe: Immerhin über 29 Prozent der befragten Fondsmanager, Projektentwickler, Family Offices, Aktiengesellschaften sowie weiteren professionellen und institutionellen Investorengruppen gaben einen Off-Market-Anteil zwischen 25 und 50 Prozent im Ankauf an. Beinahe ein Drittel der Befragten setzte die Quote sogar noch höher an. Dennoch zeigt sich eine immer stärkere Polarisierung in „pro“ und „kontra“ Off-Market-Transaktionen.

Die Marktteilnehmer beziehen Stellung

Die Studie gelangt nämlich zu dem Ergebnis, dass sich die Haltung der professionellen Marktakteure zu Off-Market-Modellen sowie ihrem klassischen Gegenpart, dem öffentlichen Bieterverfahren, seit Ende der 2010er-Jahre geändert hat. Die Marktakteure beziehen immer klarer und professioneller Stellung: Sowohl die Zahl der Akteure, die ausschließlich via Off-Market-Verfahren ankaufen oder verkaufen, als auch die Zahl derer, die zuletzt keinerlei Off-Market-Transaktionen verfolgt haben, ist stark gestiegen.

Wie groß die unveröffentlichten Off-Market-Anteile an den professionellen Transaktionsmärkten allerdings tatsächlich sind – sprich, wie viele Transaktionen „übersehen“ werden –, steht seit Jahren im Mittelpunkt unserer gemeinsamen Research-Arbeit. In der zweiten Studienausgabe kamen wir auf 40 bis 70 Milliarden Euro für Deutschland im Referenzjahr 2018. In der aktuellen Ausgabe wurden erstmals auch Österreich und die Schweiz analysiert. Obwohl die unterschiedlichen Datengrundlagen und vor allem die unvollständigen Transaktionserhebungen im ländlichen Österreich eine genaue Ermittlung erschweren, können wir von einem Volumen zwischen 50 und 80 Milliarden Euro im DACH-Raum für das Coronajahr 2020 ausgehen.

Sechs von zehn Verkäufen werden als Share-Deal abgewickelt

Eng mit der Frage nach den Marktvolumina verknüpft ist auch der Anteil an Share-Deals, die zumindest einmal nicht vollständig in den Statistiken der Grundbuchämter erfasst werden und ebenfalls regelmäßig off-market durchgeführt werden.

Im Schnitt wickelten die Umfrageteilnehmer zuletzt 60 Prozent aller ihrer Verkäufe in Form eines Share-Deals ab. Einzelne Experten gehen sogar von einem Anteil von bis zu 80 Prozent aus. Diese Ergebnisse haben auch trotz der Gesetzesreform Bestand, gemäß derer für vollständige Übertragungen der Anteile eine Grunderwerbsteuer fällig wird. Zudem ist davon auszugehen, dass vor allem großvolumige Transaktionen als Share-Deal abgewickelt werden, während kleinere Einzelobjekte oder Portfolios häufiger als klassischer Asset-Deal gehandelt werden.

Off-Market in Zeiten von Corona

Doch genau wie der gesamte Immobilienmarkt hat sich auch das Off-Market-Segment angesichts von COVID-19 verändert. Das gilt zum einen für die gehandelten Assets selbst: Mit einem Anteil von rund 46 Prozent prägten Wohnimmobilien zuletzt das Off-Market-Segment, wobei dieser rund elf Prozentpunkte höher lag als vor der Pandemie. Analog zum Marktgeschehen erlebten zudem die Logistikimmobilien einen starken Aufwind, während Einzelhandelsobjekte vergleichsweise seltener gehandelt wurden.

Aber was ist aktuell die zentrale Motivation für oder gegen eine Off-Market-Transaktion? Vor allem im Verkauf dürften die eigenen Compliance-Regeln von institutionellen Akteuren ein regelmäßiges Hindernis sein. Zudem laufen Off-Market-Deals oft schneller und flexibler ab als Bieterverfahren, was nicht für alle Marktteilnehmer passend ist.

Das wichtigste Argument für einen Off-Market-Deal besteht für viele Akteure hingegen in der höheren Abwicklungssicherheit: Diese ist mit einer durchschnittlichen Erfolgsquote von über 67 Prozent aller Transaktionen deutlich höher als bei On-Market-Modellen, die es auf knapp 40 Prozent bringen. Während in der Pandemie Off-Market-Transaktionen tendenziell noch abwicklungssicherer wurden, ist für Bieterverfahren das Gegenteil der Fall gewesen.

Kein einheitliches Bild zeigt sich hingegen beim Preisdelta zwischen Off-Market- und On-Market-Modellen. Während 36 Prozent der Befragten bereit ist, teilweise deutliche Preisaufschläge zu bezahlen, rechnen 37 Prozent mit Preisnachlässen im Vergleich zu klassischen Bieterverfahren. Allerdings liegt der Schluss nahe, dass Off-Market-Transaktionen nicht primär durch den Kaufpreis motiviert sind.

Eine Frage des Netzwerks

Immer deutlicher zeigt sich zudem, dass es einen Grund dafür gibt, warum einige Akteure sehr viel häufiger in Off-Market-Transaktionen eingebunden werden als andere: Es handelt sich um eine Frage der Netzwerkpflege, wie auch die von uns geführten Interviews bezeugen. Wer einmal einen Deal abschließt und sich als verlässlicher Handelspartner erweist, wird womöglich beim zweiten Objekt direkt vom Verkäufer angeschrieben.

4. OFF MARKET STUDIE

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