14. Sep 2018 - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Ein Milliardenmarkt ganz ohne Publikum

Viele Gewerbeimmobilien wechseln unbemerkt den Eigentümer. Wie groß dieser Markt ist, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Eine Studie will den Schleier lüften. Doch es gibt Zweifel.

Der gewerbliche Immobilienmarkt hat im abgelaufenen Jahr ein Transaktionsvolumen von etwa 70 Milliarden Euro erreicht. Davon entfielen rund 57 Milliarden Euro auf die Anlageklassen Büro, Einkaufsflächen, Logistikhallen und Hotels. Der Rest umfasste den gewerblichen Wohnungsmarkt. Nach einer Studie des Analysehauses Bulwiengesa und des Immobilienunternehmens HPBA, die der F.A.Z. exklusiv vorliegt, fehlt in dieser Auflistung allerdings ein bedeutender Teil des Marktes: die sogenannten Off-Market-Transaktionen.

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Ein Milliardenmarkt ganz ohne Publikum

Viele Gewerbeimmobilien wechseln unbemerkt den Eigentümer. Wie groß dieser Markt ist, bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Eine Studie will den Schleier lüften. Doch es gibt Zweifel.

pso. FRANKFURT, 13. September. Der gewerbliche Immobilienmarkt hat im abgelaufenen Jahr ein Transaktionsvolumen von etwa 70 Milliarden Euro erreicht. Davon entfielen rund 57 Milliarden Euro auf die Anlageklassen Büro, Einkaufsflächen, Logistikhallen und Hotels. Der Rest umfasste den gewerblichen Wohnungsmarkt. Nach einer Studie des Analysehauses Bulwiengesa und des Immobilienunternehmens HPBA, die der F.A.Z. exklusiv vorliegt, fehlt in dieser Auflistung allerdings ein bedeutender Teil des Marktes: die sogenannten Off-Market-Transaktionen. Dabei handele es sich um Käufe und Verkäufe, die sich im Gegensatz zu strukturierten Bieterverfahren oder Vermarktungen über Vermittlungsplattformen unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollziehen, heißt es in der Studie. Bei diesen Transaktionen werden üblicherweise ein bis fünf potentielle Käufer gezielt angesprochen, die Verkaufsdaten werden üblicherweise nicht veröffentlicht.

Der Studie zufolge haben sie aber ein gewaltiges Niveau. Auf 40 Milliarden Euro schätzen Bulwiengesa und HPBA das Transaktionsvolumen. Ihre Ableitung geht folgendermaßen: Sie nehmen ein gesamtes deutsches Immobilienmarkt-Transaktionsvolumen von 240 Milliarden Euro an, das grob aus der Grunderwerbsteuerstatistik abgeleitet werden könne und auch vom Arbeitskreis der Oberen Gutachterausschüsse angegeben werde. Davon werden für Ein- und Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen 130 Miliarden Euro abgezogen. Die restlichen 110 Milliarden Euro beziehen sich auf Wirtschaftsimmobilien, darunter auch gewerbliche Wohnungskäufe. Sie verteilen sich der Studie zufolge zu rund 70 Milliarden Euro auf das Transaktionsvolumen, das von Maklern und professionellen Immobilienunternehmen berichtet werde, sowie auf ein Off-Market-Volumen von etwa 40 Milliarden Euro, also eine Art Restgröße.

John Amram, Managing Director des Off-Market-Spezialisten HPBA, begründete das Interesse von Käufern an derartigen verborgenen Transaktionen im Gespräch mit der F.A.Z. unter anderem damit, dass sie herkömmlichen Bieterverfahren aus dem Weg gehen wollten. Bei Bieterverfahren im Wettbewerb mit einer unter Umständen dreistelligen Zahl von Interessenten seien die Prüfkosten erst einmal hoch, die Aussichten, zum Zuge zu kommen, aber eher gering. Bei Off-Market-Transaktionen sei die "Deal-Sicherheit" schon wegen der geringen Zahl von - sorgfältig ausgesuchten - Interessenten viel höher. Zudem biete dieses Verfahren eine Diskretion, die - etwa im Umgang mit Mietern - zuweilen sehr erwünscht sei. Dass Off-Market-Verfahren Schwarzgeld-Transaktionen begünstigten, wies Amram dagegen zurück. Es würden dieselben Vorschriften gelten wie für alle übrigen Transaktionen am Immobilienmarkt.

Fabian Klein, Managing Director des Beratungsunternehmens CBRE in Deutschland, sagte zu der Studie auf Anfrage spontan, ein derartig hohes Off-Market-Volumen halte er für undenkbar. Amram und Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter von Bulwiengesa, geben zu, dass es sich um eine "grobe Schätzung" handele. Dass auch in den traditionellen Gewerbemarkttransaktionen nennenswerte Off-Market-Käufe enthalten sein könnten, könne man nicht ausschließen. Andererseits könne das Volumen sogar noch höher ausfallen, denn in der Grunderwerbsteuerstatistik seien die sogenannten Share Deals, meist große Gewerbetransaktionen wie etwa der Verkauf von Hochhäusern, nicht enthalten, da dafür diese Steuer nicht zu bezahlen sei.

Tatsächlich ist die Datenlage bei den Off-Market-Geschäften dünn. Amram selbst, der nach eigenen Angaben als zwischengeschalteter Spezialist zuletzt ein jährliches Transaktionsvolumen von 1 Milliarde Euro bewältigt hat, sagt, er könne kein einziges Objekt benennen, weil seine Vertragspartner Stillschweigen erbeten hätten. Ab und zu finden sich aber in der Fachpresse genauere Angaben über einzelne Verkäufe. So wurde Ende Juli bekannt, dass ein Luxemburger Immobilienfonds für 235 Millionen Euro die künftige Zalando-Zentrale in Berlin-Friedrichshain erworben hat. Ebenfalls dem Fachdienst TD war im Juli zu entnehmen, dass das Immobilienunternehmen BMO unter anderem für die Hamburger Pensionskasse von 1905 das Ensemble Leipziger Platz 14-16 in Berlin, unter anderem mit der ehemaligen AvD-Zentrale und dem Mosse-Palais, für 300 Millionen Euro gekauft hat. Auch die "Immobilienzeitung" berichtet immer wieder einmal über Off-Market-Transaktionen, etwa über den Verkauf deutscher Immobilien von Goldman Sachs an Swiss Life, die meist dreistellige Größenordnungen haben.

F.A.Z., Michael Psotta, 14.09.2018, Immobilien (Immobilienmarkt), Seite I3 - Ausgabe D1, D2, D3, R - 644 Wörter
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4. OFF MARKET STUDIE

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