September 2023 - TIAM / TRENDS IM ASSET MANAGEMENT

Private-Equity-Investoren füllen die Finanzierungslücke

Autor: John Amram

Die Kreditvergabe der klassischen Finanzierer in Deutschland ist so restriktiv wie nie zuvor. Das zeigt unter anderem das aktuelle BF.Quartalsbarometer von Bulwiengesa: Die Stimmung der Banken ist noch negativer als zum Höhepunkt der Corona-Pandemie. Während es sich damals jedoch um einen einmaligen, kurzen Effekt handelte, hält die extreme Zurückhaltung nun bereits seit fast einem Jahr an. Zum Beispiel sind lediglich 44 Prozent aller befragten Banken überhaupt noch bereit, klassische Wohnimmobilien-Projektentwicklungen zu finanzieren, bei Büroimmobilien-Projekten sind es immerhin noch 60 Prozent. Hotels, Pflegeimmobilien und Einzelhandelsprojekte werden sogar noch seltener finanziert.

Selbst im Bereich der Bestandsimmobilien machen immer mehr Banken einen Rückzieher: Entsprechende Büroobjekte werden nur noch von 76 Prozent aller Kreditgeber refinanziert, bei den noch vor wenigen Monaten als Boombranche geltenden Logistikobjekten sind es 64 Prozent.

Gleichzeitig sehen sich immer mehr Projektentwickler mit der harten Realität konfrontiert, dass sie händeringend nach Finanzierungen suchen, um tätig werden können – währenddessen stehen die Baustellen still, und jeder verstrichene Tag verursacht weitere Kosten (und Opportunitätskosten). Selbst große Entwickler werden regelrecht gelähmt, weil sie einen Großteil ihrer Arbeit darauf verwenden müssen, Refinanzierungen zu akzeptablen Konditionen abzuschließen. Und selbst wenn eine Bank eine Finanzierung grundsätzlich zusagt, ist es damit noch nicht getan. Die geforderte Eigenkapitalquote wird immer höher, bei manchen Objekten werden 60 bis 70 Prozent gefordert. Dementsprechend hoch steht also auch Mezzaninkapital im Kurs.

Private-Equity-Investoren und Versicherer drängen auf den Finanzierungsmarkt

Diese Konstellation aus enormer Nachfrage und gleichzeitig sehr begrenztem Angebot haben inzwischen auch Private-Equity-Investoren, Versicherer und Family Offices aus ganz Europa, den USA, dem Mittleren Osten sowie dem asiatischen Raum erkannt. Vor allem Akteure aus dem angelsächsischen Raum stehen dabei im Mittelpunkt. Diese sammeln bereits seit Monaten konsequent Kapital ein – was von den Teilnehmern des deutschen Immobilienmarkts bereits ausgiebig beobachtet wird. Allerdings wird in der Fachöffentlichkeit nach wie vor eher darüber diskutiert, wann diese Investoren die Transaktionsvolumina in Form von Asset- und Share-Deals wieder nach oben treiben werden.

In der Realität sieht es jedoch so aus, dass diese Akteure bereits jetzt schon regelrecht auf den deutschen Immobilienmarkt drängen – oftmals jedoch nicht als Käufer, sondern als Finanzierer. Besonders die flexibleren Investorentypen bedienen dabei unterschiedlichste Modelle. Neben Mezzaninkapital, Nachrangdarlehen und Joint-Ventures stehen immer stärker auch Senior- und Whole-Loans im Fokus der alternativen Kapitalgeber.

Welche alternativen Finanzierungsformen werden derzeit besonders stark nachgefragt?*

Finanzierungsformen Q4/22 Q1/23
Erstrangig besicherte Fremdkapitalinstrumente (z.B. Anleihen/„Whole-Loan“-Strukturen) 15,4 % 19,0 %
Nachrangig besicherte oder unbesicherte Fremdkapitalinstrumente (z.B. Anleihen, „senior unsecured“ Corporate Bonds) 10,3 % 17,2 %
Mezzanine-Kapital (z.B. Nachranganleihen oder -darlehen) 33,3 % 31,0 %
Eigenkapital (z.B. Private Equity oder Joint Venture) 30,8 % 20,7 %
Mittelbare Finanzierung durch Forward Commitments 10,3 % 12,1 %
Andere Instrumente 0,0 % 0,0 %

*Mehrfachnennungen sind möglich

Quelle: BF.Quartalsbarometer Q1/2023.

Win-win-Situationen in Vorzugslagen

Für die Versicherer, Private-Equity-Investoren und Family Offices, die als Finanzierer auftreten, gibt es in sehr vielen Fällen ein hohes Sicherheitsniveau. Zum Beispiel können sie gezielt nach Prime-Objekten und -Entwicklungen in städtischen Vorzugslagen suchen, die eine Refinanzierung benötigen, und den dafür nötigen Senior-Loan vergeben. Bei entsprechender Vertragsgestaltung und ausreichender Besicherung ist ihr eigenes Risiko dabei minimal. In den allermeisten Fällen erhalten sie einen attraktiven, festverzinslichen Cashflow, während die zugrundeliegende Immobilie als Sachwert einen inhärenten Inflationsschutz aufweist und zudem vom Nachfrageüberhang vor allem bei innerstädtischen Wohnimmobilien profitiert – was wiederum das zugrundeliegende Investment des Vertragspartner absichert. Sollte der Vertragspartner aus welchen Gründen auch immer dennoch in Schieflage geraten, können sie sich als erstrangiger Fremdkapitalgeber in den Besitz einer nachhaltigen Immobilie bringen, die bei einem klassischen Share- oder Asset-Deal deutlich teurer wäre.

Bis zu 20 Prozent Rendite auf Eigenkapitalersatz sind realistisch

Ein genauerer Blick in die eingangs erwähnte Umfrage zeigt: Für alle Objekte, die in die Kategorie „sonstige Immobilien“ fallen und nicht den gängigen Assetklassen zugehörig sind, liegt die Finanzierungsbereitschaft der Banken bei null Prozent. Sprich, es werden keine konventionellen Kredite für Investmentvorhaben vergeben, die sich außerhalb der Norm bewegen. Das deckt sich mit der gelebten Marktpraxis. Beispielsweise müssen großformatige Photovoltaik-Installationen in aller Regel zu einhundert Prozent aus Eigenkapital bestritten werden – trotz des erklärten Willens zur Energiewende. Ähnliches gilt für Investoren, die aktuell Landbanking betreiben und unbebaute Grundstücke erwerben wollen.

Dieses Eigenkapital beziehungsweise Eigenkapitalsubstitut stammt immer häufiger ebenfalls von Private-Equity-Investoren und den genannten anderen Marktteilnehmern. Da die entsprechenden Vorhaben mit höheren Risiken verbunden sind als die Refinanzierung von Beständen, lassen sich die Kapitalgeber ihre Liquidität sehr gut bezahlen. Aufgrund der Vielseitigkeit der Vorhaben sowie der unterschiedlichen Ausgangssituationen der Kreditnehmer unterscheiden sich auch die Konditionen von Fall zu Fall. Dennoch sind feste Zinssätze zwischen zehn und 20 Prozent auf diesen Eigenkapitalersatz inzwischen üblich, oftmals noch ergänzt um weitere Incentives wie eine Gewinnbeteiligung am Projekt. Noch dazu ergibt sich für Investoren außerhalb des Euroraums oft die Möglichkeit, positive Währungseffekte zu erzielen. Vor allem der starke US-Dollar ist dabei ein positiver Faktor – wenngleich die Undurchschaubarkeit der Währungsentwicklungen dafür sorgt, dass es sich hierbei nur selten um den entscheidenden Faktor handelt. Die Taktik der Kreditnehmer lautet indes oftmals, sich das Kapital zu beschaffen, das Vorhaben voranzutreiben und anschließend zu günstigeren Konditionen mit neuem Fremdkapital zu refinanzieren.

Flexibles Handeln anstatt starrer Dogmen

Mehr noch als bei klassischen Asset- und Share-Deals kommt es bei alternativen Finanzierungsmodellen auf die Flexibilität beider Parteien an. Die jeweiligen Investmentvorhaben sind äußerst unterschiedlich, weshalb sich die Details von Fall zu Fall deutlich unterscheiden. Dementsprechend gibt es nur sehr begrenzt die Möglichkeit, sich auf „Best Cases“ zu berufen. Umso wichtiger ist die sorgfältige Vorauswahl des jeweiligen Handelspartners. Schließlich ist die aktuelle Marktsituation äußerst herausfordernd und die Vielzahl der marktbestimmenden Faktoren – von der Zinswende über die Baukostenexplosion bis hin zu regulatorischen und ESG-bezogenen Themen – sorgt dafür, dass eine belastbare Prognose, wie sich die Märkte in den nächsten Monaten entwickelt werden, kaum getroffen werden kann. Somit kommt es mehr denn je auf die Verlässlichkeit des Vertragspartners und das sorgfältige Matching zwischen Kreditgeber, Kreditnehmer und dem zugrundeliegenden Investmentvorhaben an.

4. OFF MARKET STUDIE

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